Eins muss ich klarstellen: Es ist nicht so, dass ich eine Essstörung
habe. Man kennt das ja mit der Magersucht oder der Bulimie. Aber weder
wiege ich vierzig Kilo, noch kotze ich alles wieder aus, was ich esse.
Also kein Grund zur Sorge.
Wenn da nicht immer dieser Heißhunger auf Süßes
wäre. Jetzt sagen Sie nicht, sie kennen das, und: Jede Frau ist doch
schokoladensüchtig, von wegen Endorphine und so. Darüber kann
ich nur lachen. Sie wissen ja nicht, was ich alles essen kann. So langsam
geht das echt ins Geld. Aber so lange mein Konto noch gedeckt ist und ich
mich in Gegenwart anderer Leute beherrschen kann, und, natürlich,
so lange ich mich bewege und die ganzen Kalorien halbwegs wieder abgearbeitet
kriege, ist ja wohl alles im grünen Bereich. Wie gesagt, kein Grund
zur Sorge.
Das Dumme ist bloß, dass ich so langsam doch zu
dick werde. Wo denn bitte zu dick? werden Sie fragen. Aber kommen Sie mir
nicht so. Ich weiß ganz genau, dass Sie ganz genau wissen, dass ich
nicht ohne Grund diese weiten Klamotten trage. Ich kann förmlich sehen,
wie es hinter Ihrer Stirn denkt, naja, also in der Sauna möchte ich
der jetzt wirklich nicht unbedingt begegnen. Logisch, dass mich keine zehn
Pferde in die Sauna kriegen würden. Und schwimmen war ich zuletzt
vor Jahren. Irgendwann in grauer Vorzeit, als ich mich noch im Badeanzug
in die Öffentlichkeit wagen konnte.
Tja, und wie das dann so ist: Je gefrusteter ich deswegen
bin, um so mehr erscheint dann die Schokolade als einziger Trost, und das
Ganze schaukelt sich nur immer weiter hoch. Da hilft irgendwann auch der
Sport nicht mehr.
Wie meinen Sie, es sei doch nur eine Frage der Willenskraft,
sich ein wenig zu mäßigen? Und es sei doch offensichtlich, wie
ungesund diese Ernährungsweise sei? Also hören Sie, warum erzähle
ich Ihnen das eigentlich alles? Fragen Sie nur mal einen langjährigen
Raucher, wie leicht es ihm fällt, mit ein bisschen Willenskraft von
den Zigaretten wegzukommen. Willenskraft, wenn ich das schon höre.
Natürlich habe ich Diäten gemacht. Ich hab alles Mögliche
ausprobiert. Aber auch das wird Ihnen jeder Raucher bestätigen: Für
einen begrenzten Zeitraum ist es kein Problem. Doch dann brauche ich nur,
einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis, der Ansicht zu sein, jetzt
könne ich mir ja wieder mal eine Tafel Schokolade kaufen. Oder vielleicht
auch zwei, denn ich könne ja wieder vernünftig damit umgehen.
Ich sehe schon, jetzt sind Sie überzeugt, dass ich
tatsächlich ein Problem habe. Aber keine Angst, so habe ich das auch
wieder nicht gemeint. Ich kriege das schon hin. Ich werde meinen Ekel,
der mich bis jetzt daran hindert, ab und zu den Finger in den Hals zu stecken,
schon noch überwinden. Nur ab und zu, natürlich. Kein Grund zur
Sorge.
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