Verdammte Romantik

(oder: Antwort auf die Mittwochsfrage)

Schon wieder ließ ich eine Chance verstreichen.
Er war so nah – und ich sprach ihn nicht an.
Dabei gab er mir durchaus klare Zeichen,
Daß er mich immerhin nicht hassen kann.

Ich könnte mich vor Wut in Stücke reißen,
Kann nur verächtlich in den Spiegel sehn ...
Was immer mir die Zukunft mag verheißen –
Als Feigling werd‘ ich diesen Weg nicht gehn.

Wie kommt es, daß der Schatten, über den ich
So gerne spränge, immer größer wird?
Es ist nicht nur die Angst, er könnte wenig
Von mir erbaut sein – oder schon liiert.

Vor allem fürchte ich, das zu verlieren,
Wodurch er Farbe in mein Leben bringt:
Das Träumen und das süße Phantasieren,
Die Möglichkeit, daß neues Glück gelingt.

Ich will das Vielversprechende nicht missen,
Das Unerfüllte, das mich inspiriert
Und stets bereichert; ließe ich’s ihn wissen,
Verschwände es, gleich, wie er reagiert.

So möcht‘ ich weiter schwärmen, weiter schmachten
Und weiter dichten ... Es ist allzu leicht,
Poet zu sein, anstatt des Lebens Frachten
Zu tragen, wenn der Mut dazu nicht reicht.
 

Juni 2001
 
 

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